Es ist Sonntag Abend. Ich befinde mich auf der Rückfahrt von Berlin nach Hannover und versuche mich an einem ersten Fazit des ersten Netzpolitischen Kongress der Grünen.
Jetzt ins Detail zu gehen fällt mir noch zu schwer. Ich bin ja auch mehr ein interessierter Laie (das klingt irgendwie nicht gut, aber mir fällt keine bessere Umschreibung ein) und war eher als Mitglied der Grünen Jugend da, denn als Netzpolitik-Profi.
Von der Eröffnungsrede von Renate Künast ist mir eigentlich nur noch die von vielen falsch verstandene Aussage in Erinnerung, „die Konservativen halten das Internet für eine Hafenkneipe.“ – Diese Aussage führte zu großem Aufruhr, da einige eifrige Twitteruser_innen verbreiteten „Künast hält das Internet für eine Hafenkneipe!“
Der Rest der Rede ging bei mir in einem allgemeinen Grünen-Bashing auf Twitter unter. Da dieses Bashing auch durch einige Twitteranten mit schwarzen Fahnen im Profilbild (Mitglieder der Piratenpartei) mitgetragen wurde, musste ich dann die Frage stellen „Ob die #Piraten wirklich ausschließlich zum #Pöbeln hier sind oder auch bock auf konstruktive Arbeit haben?“ Darauf folgend (@herrubach, @tobiasraff, @SlickRights, @LaviniaSt) habe ich dann mit Tobias und Lavinia eine Session für das Barcamp am Samstag, über Zusammenarbeit unter den Parteien in Punkto Netzpolitik vereinbart (dazu weiter unten mehr).
Etwas enttäuscht war ich im Anschluss von Saskia Sassen, die das Internet aus einem sozial-antropologischen Blickwinkel betrachtet, in ihrem Vortrag, meiner Meinung nach, jedoch sehr unstrukturiert und ausschweifend wurde. Viel Besser war dann Reto Hilty vom MPI für Geistiges Eigentum, der eine Keynote zum Thema Urheberrecht gehalten hat.
Ganz lustig fand ich ja das abendliche Gespräch zwischen Claudia Roth und (Prof.) Tim Renner über Mixtapes, Copyright und alte Zeiten. Die von vielen angeprangerte Irrelevanz des ganzen war für mich, zu so später Stunde, ehrlich gesagt ganz erfrischend. Einem schwerwiegenden Vortrag (womöglich auf Englisch), über Feinheiten von Gesetzesentwürfen und Kulturflatrate, hätte ich nicht mehr folgen können. (Aus dem Gespräch ist mir vor allem hängen geblieben, dass man den Track „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ von Selig kostenlos herunterladen kann.)
Nachdem ich in der Nacht von Freitag auf Samstag etwas zu lange wach war, war ich am Sonntag dann erst zum Mittagessen zurück im Paul-Löbe-Haus, so dass ich leider die ersten beiden Sessionspots des Barcamps verpasst habe.
Nach dem Mittagessen habe ich dann die Session zum Thema Liquid Democracy besucht. Hier haben die Administrator_innen von Adhocracy die Seite (und das Prinzip) liqd.net vorgestellt (u.a. auch am Beispiel der Grünen Jugend liqd.net-Seite, die ich noch nicht kannte). Diese Session war für mich super interessant und ich wäre gerne im Anschluss noch zur Session über Liquid Feedback (ein ähnliches Prinzip) gegangen, was leider nicht möglich war.
Um 14:30h begann dann „Meine“ Session zum Thema „Wie schaffen wir den politischen Kindergarten um und fördern ein konstruktives Vorgehen zwischen Parteien?“ (der Titel stammte von einer unbekannten Person aus dem Wiki zum nk10-Barcamp auf mixxt.de). Leider waren dort dann auch nur Tobias und Lavinia anwesend – andere Pirat_innen fanden wohl andere Sessions interessanter – dafür war die Diskussion aber um so fruchtbarer. In dieser Session – und auf dem gesamten Kongress eigentlich – konnte ich endlich meine Ressentiments gegen die Piratenpartei (zumindest größtenteils) Ausräumen. Die Piraten haben eben, wie jede andere Partei auch, so ihre Probleme mit unterschiedlichen Ansichten über Politik; die Grünen haben „Jamaika,“ die Piraten haben „Trolle.“ :)
In der Session haben wir drei einhellig besprochen die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Grünen/Grüner Jugend und den Piraten zu fördern. Ich glaube wir brauchen an fielen Stellen die Expertise der Piraten und die Piraten können bei uns auch mal in Politikbereiche ausserhalb des Netzes schnuppern… Gemeinsame Veranstaltungen zu Netzpolitischen und anderen Themen wären sowohl auf lokaler, als auch auf Landes- und Bundesebene förderungswürdig.
Nach dieser spannenden Diskussion habe ich dann den Workshop „Alles eine Frage der Macht: Sexismus im Netz“ mit Katrin Rönicke (maedchenmannschaft.net), Leena Simon (Piraten) und Monika Lazar (Grüne) besucht. Dieser war für meinen Geschmack etwas sehr diffus. Man konnte sich leider nicht richtig auf einen gemeinsamen Diskussionsschwerpunkt einigen. Nach einer guten Einführung zum Sexismus-begriff und Sexismus im Internet durch Katrin folgte ein etwas Diffuser Vortrag von Leena mit dem Fazit, man müsse Trolle und (echte) Sexist_innen im Internet differenzieren (obwohl diese sich gegenseitig Futter geben). Die anschließende Diskussion sprang stark zwischen den Themen hin und her, so zum Beispiel die Frage ob Frauen im Internet unterrepräsentiert seien oder nur „totgeschwiegen“ würden. Auf den eigentlichen Titel der Veranstaltung wurde leider nur am Rande eingegangen und ein konkretes Fazit oder zumindest Handlungsanweisungen gab es dann auch nicht.
Die kurze Runde in der die Ergebnisse der Workshops präsentiert wurden fand ich wirklich gut (richtungsweisend von welchem der Workshops ich noch eine Audioaufzeichnung hören möchte), wurde aber im allgemeinen ‚auf das Abendessen warten‘ nicht ausreichend gewürdigt.
Nach der Abendessen-Pause ging es dann mit Open-Data und Open-Government weiter. Leider war ich etwas müde, so dass mir nicht vieles in Erinnerung geblieben ist.
Insgesamt gesehen verläuft mein Fazit ähnlich wie das von einigen anderen auch. Netzpolitisch stecken die Grünen noch immer in den ‚Kinderschuhen‘ und dennoch war dieser Kongress ein Schritt in die richtige Richtung. Mal davon abgesehen, dass ein Barcamp im Paul-Löbe-Haus wirklich etwas wiederholenswertes ist, ist es wichtig die Erfahrungen und Meinungen auf diese Art und Weise zu vernetzen und die Zusammenarbeit (Stichwort Konsens) voran zu treiben. Leider kamen die Diskussionen an vielen Stellen zu kurz und die einzelnen Spots des Barcamps hätten etwas länger (und zumindest mit 5 Minutenpausen) sein können. Das die Workshops parallel zu dem Barcamp waren war natürlich ärgerlich. Wären die Workshops mehr in das Barcamp eingegliedert gewesen (gleicher Stellenwert auch bei der Publikation wie die Sessions) wäre das möglicherweise nicht mehr so sehr aufgefallen.
Am Ende kann ich auch nur sagen: Weitermachen!
P.S.: Zu empfehlen sind neben Gedankenstücke auch die Artikel von Hyperland und Tobias Hößl (mit Fotos).
7 Kommentare
Comments feed for this article
14. November 2010 um 21:36
Sami
Kleine Anmerkung von einem nicht pöbelnden, weiblichen Pirat: Piraten gendern nicht. Es gibt also nur Piraten und keine Piratinen.
Würde mich über gemeinsame Veranstaltungen freuen.
Sami
14. November 2010 um 22:10
Jonathan
Ich muss das tun, ich kann nicht anders… :)
15. November 2010 um 11:57
Herr Urbach
Leider habe ich deinen Slot nicht mitbekommen und habe deshalb nicht daran teil genommen. Insgesamt habe ich auch nur einen Workshop (Jan-Philip Albrecht, Jeremy Zimmerman und John McNamee über „Europäische Regeln für das Internt?“) besucht und einen Barcamp Slot mitgemacht (Hannah Ahrendt und ihr Öffentlichkeitsbegriff).
Ansosnten habe ich eher das persönliche Gespräch gesucht uns sehr konstruktiv mit Mitgliedern aller Parteien, die vor Ort waren, gesprochen. Trotzdem halte ich von frau Künast nach wie vor Abstand ;)
Bis irgendwann irgendwo
Herr Urbach
15. November 2010 um 12:12
Jonathan
Naja, wie oben ankllingt war die Session auch eher ein persönliches Gespräch und es gab ja auch einfach vieles gleichzeitig…
Und von einer Künast oder einem Schaar halte auch ich, politisch, einen größt möglichen Abstand (solche Menschen gibts in allen Parteien), ohne Frage, aber gerade deshalb versuche ich für den Dialog zwischen den Vernünftigen zu motivieren…
15. November 2010 um 13:00
Herr Urbach
Dialog ist wichtig, auf jeden Fall! Sonst können wir uns das alles ja sparen :)
16. November 2010 um 00:15
Tobias Raff
Erstmal danke für die tolle Darstellung Deiner Eindrücke! Ich fand unser Gespräch ausgesprochen konstruktiv und habe zu unserem Vorhaben eine Idee, dazu aber mehr per mail. Zu Sami: es ist jedem Pirat selbst überlassen, ob er gendert oder nicht? Für mich gibt es Piraten UND Piratinnen.
Grüße, Tobias
2. Januar 2011 um 12:31
Mein Blog: 2010 in review « jntns.
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